Auch an den Rändern muss es passen

Helga Siemens-Weibring zu sozialen und ökologischen Herausforderungen

  • Ralf Thomas Müller

Helga Siemens-Weibring, Sozialbeauftragte der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Foto: Diakonie RWL
Helga Siemens-Weibring, Foto: Diakonie RWL

Für die Sozialbeauftragte der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Helga Siemens-Weibring, muss bei einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Transformation die Politik die Teilhabe aller Menschen im Blick haben. Menschen in finanziellen Notlagen oder mit anderen Einschränkungen in ihrer Lebensführung dürften nicht durch das Sieb fallen.

„Es kann nicht sein, dass gesagt wird, was für meisten Menschen in der Gesellschaft passt, passt dann auch für alle“, so Siemens-Weibring. Stattdessen müsse immer mit überlegt werden, ob es für die an den Rändern passt. Dazu müssten alle Betroffenen in die Überlegungen eingebunden werden. Es bestehe sonst die Gefahr, sich ausschließlich am eigenen persönlichen Umfeld zu orientieren.

„Wir konsumieren zulasten des globalen Südens“, sagt die Sozialbeauftragte der Diakonie RWL. Deshalb ist für sie auch wichtig, dass in den reichen Ländern weniger, bewusster und nachhaltiger konsumiert wird. „Ich bin auf dem Land aufgewachsen und wusste, wann Erdbeeren, Kürbis und Grünkohl reif sind. Und welche Arbeit der Anbau macht. Unsere Kinder wissen das häufig nicht mehr.“ Alles stehe immer zur Verfügung und die Ressourcen dafür kämen oft von weit her. Das Lieferkettengesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr Regionalität ist für sie eine weitere notwendige Antwort.

Unterschiede in Stadt und Land

Die praktische Umsetzung der Transformation muss ihrer Ansicht nach auf die unterschiedlichen Lebensbedingungen in den Städten und im ländlichen Raum eingehen. „Wir wollen als Diakonie eigentlich nur noch den ÖPNV, die Bahn und andere öffentliche Verkehrsmittel für Reisen nutzen“, erklärt sie. Das sei aber schwierig, wenn man in bestimmten Gegenden auf dem Land lebe oder dorthin wolle, zum Beispiel im Hunsrück. In ländlichen Regionen brauche man das Auto, weil der ÖPNV nicht genügend ausgebaut ist. Auch Carsharing sei dort häufig schwierig. Wer in einer Großstadt lebe, habe es da einfacher. Eigene Lebensmittel anzubauen, sei aber dagegen in Städten nur schwer möglich. Dazu fehle dort der Platz für eigene Gärten. Hier müssen auch städteplanerisch neue Ideen entwickelt werden, um ein besseres Lebensumfeld für Menschen in Stadt und Land zu bieten.

Konsequenter fördern

Für Bürgerinnen und Bürger, die von Sozialleistungen leben, gibt es weiterhin vielfältige Probleme. „Eine gute Idee wie das Deutschlandticket für 49 Euro ist für sie kaum zu bezahlen“, so Siemens-Weibring. Der im Hartz IV-Regelsatz enthaltene Anteil für Verkehr decke das nicht einmal ab.

Die hohen Energiepreise treffen arme Menschen besonders hart. „Die Anschaffung energiesparender Geräte muss stärker gefördert werden“, betont die Sozialwissenschaftlerin. Bei der Energie scheine es immer noch leichter zu sein, auf das setzen, was man hat und kennt. Es müssten aber viel konsequenter erneuerbare Energien aus Wind, Sonne und Erdwärme gefördert werden. Hausbau müsse wärme- und stromsparend sein statt „smart und bequem“. Es sei unverständlich, wenn bei Großprojekten wie zum Beispiel einem Klinikneubau nur noch mit konventioneller Energie wie einer Gasheizung geplant werde, ohne alternative Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.